Vor 30 Jahren: Als Thomas Muster die French Open gewann

Mit ihren Siegen bei den French Open in Paris haben Lilli Tagger (im Juniorinnenbewerb) und Maximilian Taucher (Double im Rollstuhltennis-Juniorenbewerb) vergangene Woche gewaltig aufhorchen lassen. Doch heute vor exakt 30 Jahren hatte sich am gleichen Ort ein noch bedeutsameres Ereignis abgespielt: Am 11. Juni 1995 hatte Thomas Muster bei Roland Garros rot-weiß-rote Sportgeschichte geschrieben und als der erste Österreicher überhaupt ein Grand-Slam-Turnier gewonnen. Um 17:22 Uhr war damals ein lautstarker Schrei der Erleichterung über den Centre Court der Anlage am Bois de Boulogne gehallt, der Steirer rücklings im Sand gelandet, als der zweite Matchball gesessen hatte. Durch ein 7:5, 6:2, 6:4 gegen den zähen US-Amerikaner Michael Chang hatte der zu dieser Zeit 27-jährige Leibnitzer den begehrten Coupe des Mousquetaires erobert und sich dadurch in den Tennisgeschichtsbüchern verewigt.
Musters Erfolg war eine Konsequenz von beinharter, unermüdlicher Arbeit, unbändigem Willen und Einsatz, auch und gerade in den schwersten Phasen seiner Laufbahn. Am 1. April 1989 hätte ein betrunkener Autofahrer, Norman Sobie, fast die vielversprechende Karriere des heimischen Tennisaushängeschilds auf dem Gewissen gehabt. Am Tag von Musters Halbfinalcoup beim ATP-Turnier in Key Biscayne war er durch Sobie auf offener Straße niedergefahren worden, sein sportliches Schicksal durch ein komplett zerstörtes Kreuz- und Seitenband im linken Knie am seidenen Faden gehangen. Entgegen all dieser Widrigkeiten war die „steirische Eiche“ wiedergekommen – und das stärker als je zuvor. Legendär sind bis heute jene Bilder, die Muster auf einer Bahre liegend beim Trainieren zeigen. Die intensive Zusammenarbeit mit dem im Jahr 2022 viel zu früh verstorbenen Ronnie Leitgeb, seinem Manager und Mentor, sollte sich bezahlt machen.
Für immer eine Wertigkeit – „bis man den Sargdeckel eben draufgibt“
Die größte Belohnung für seinen enormen Trainingseifer war 1995 gekommen: Mit einer Sandplatz-Siegesserie von 28 Matches in Folge und Turniersiegen in Mexico City, Estoril, Barcelona, Monte-Carlo und Rom im Gepäck war Muster als Titelkandidat Nummer eins nach Paris angereist. Der Erfolgslauf hatte aber auch eine hohe Belastung dargestellt. Umso größer war danach die Erleichterung ausgefallen, diesem hohen Erwartungsdruck standgehalten zu haben, das Turnier gewonnen zu haben: „Das ist, glaube ich, wie wenn man Geisel ist und befreit wird – das muss ungefähr dasselbe sein. Da ist wirklich sehr viel Druck von mir abgefallen. Dieser Sieg wird für mich einfach immer eine Wertigkeit haben, bis man den Sargdeckel eben draufgibt. Ich glaube, den werde ich wirklich mit mir mittragen, bis zu meinem letzten Atemzug“, hatte Muster damals in seinen ersten Interviews mit dem ORF gesagt.
Muster wurde im Folgejahr die Nummer eins der Welt und holte insgesamt 44 ATP-Titel, der denkwürdigste blieb freilich jener in Frankreichs Hauptstadt, am Bois de Boulogne – einem für ihn persönlich „ganz speziellen Platz. Aber es ist halt doch schon 30 Jahre her – man sieht’s ja eh“, lächelte Muster letzte Woche am Rande von Tennis meets Business im Wiener Park Club über seinen Coup in Paris. In Erinnerung blieb ihm jedoch „nicht nur der eine Erfolg, wo ich das Turnier gewonnen habe, sondern generell: Man spielt dort ja fast ein Jahrzehnt oder noch länger. Es ist einfach eine tolle Atmosphäre, Paris ist eine tolle Stadt, die Plätze sind immer in super Zustand. Die Franzosen verstehen Sport und Tennis – wenn du gegen einen Franzosen spielst, ist es nicht so toll. Aber natürlich war das für mich ein großer Moment, der Sieg, und ich denke natürlich immer gerne an Paris zurück, keine Frage.“
ÖTV-Präsident Martin Ohneberg überreichte Thomas Muster bei einer Ehrung bei Tennis meets Business zwei Champagnergläser von ICHIGO Vienna, mit Gravur „30. Jubiläum – French Open 95’“, in einer ÖTV-Box. Und auch an dieser Stelle will der Österreichische Tennisverband dem Steirer nochmal herzlich zu dessen Meilenstein vom 11. Juni 1995 gratulieren – und aus diesem Anlass nochmal auf diesen historischen Tag für den rot-weiß-roten Sport zurückblicken, mittels des nachfolgenden Videos mit dem Matchball und dem ersten größeren ORF-Interview nach dem Triumph bei den French Open.
